Moin @Chris,
Und danke @Christian, dass du mir da eine Kompetenz zuschreibst Schön, dass es jemanden gibt, der Interesse am Pflegeprozess und vor allen Dingen an einer evidenzbasierten Planung der Pflege hat!
Auch gut, dass du dich mit NANDA-I-PDs auseinander setzt. Meines Erachtens sind es aktuell die am meisten entwickelte und konsistente Sprache für die Beschreibung von pflegerischen Phänomenen. Vielleicht sollte man zu den NANDA-PDs wissen, dass denen ein Konstrukt zugrunde liegt, welches ebenfalls als eine „Sprache“ für das Assessment von pflegebedürftigen Menschen anwendbar ist: Die Functional Health Patterns (oder funktionale Gesundheitsmuster) von Marjory Gordon. Diese Muster beschreiben in 11 Kategorien, in welchen Bereichen ein Mensch ggf. Hinweise für entsprechende Pflegebedarfe aufweist. Hat man entsprechende Auffälligkeiten identifiziert, bietet sich in der Regel ein vertieftes Assessment an, um bestimmte Probleme weiter einzugrenzen oder sichtbarer zu machen. Bspw. kann eine Person, die in der Kategorie der Ausscheidung, im Bereich Urinausscheidung, Auffälligkeiten zeigt, mit einem Instrument getestet werden, welcher z.B. die Schwere einer Inkontinenz und den damit verbundenen Gefühl der Lebensqualität einschätzt (s. ICIQ, gibt es auch als Kurzversion). Hat man dementsprechend Bedarfe identifiziert, bieten sich die IDs an, um die Reaktion einer Person (oder Familie, Gruppe, Gemeinde) auf ein bestimmtes Gesundheitsproblem mit standardisierten Begriffen zu beschreiben.
Wenn du diesen Prozess einmal durchlaufen hast, kannst du auf Grundlage der identifizierten PDs dann Outcomes definieren, welche beeinflusst werden sollen und Maßnahmen planen, mit denen du diese Outcomes beeinflussen willst. Natürlich alles im Dialog mit der pflegebedürftigen Person
Es gibt ein paar Dinge, die man auf jeden Fall lernen muss und sollte, damit das Assessment schärfer und dementsprechend auch stärker darauf ausgerichtet wird, was Pflegende eig im Pflegeprozess interessiert. Eine erfahrene Pflegefachperson sollte das Assessment auch ohne eine entsprechende Guideline auf die typischen Bedarfe einer bestimmten Population ausrichten können. Aber dafür braucht es halt Erfahrung. Insofern ist mein größter Tipp: Üben, Üben, Üben. Was ich manchmal mache, ist mir Fälle mit nach Hause zu nehmen (anonymisiert versteht sich) und auf Grundlage der Daten dann dementsprechend einen Pflegeprozess zu planen.
Nächstes Jahr kommt die deutsche Version der Diagnosen 2024-2026 raus. Ich kann nur empfehlen mal in einer Uni- oder Landesbibliothek vorbeizuschauen. Meistens haben diese Zugang zu der Lektüre, womit man sie sich nicht teuer anschaffen braucht.
Zusammengefasst: Schau mal in die Bibliotheken nach aktueller Literatur, gerade von Maria Müller-Staub, Herdman und Doenges; Übe die Pflegeprozessplanung wo und wie du nur kannst; Sei dir bewusst, dass die meisten Dokumentationssysteme keine geeignete Dokumentation des Pflegeprozesses, basierend auf einem professionellen Verständnis, zulassen; Das Assessment und dementsprechend auch der gesamte Pflegeprozess werden maßgeblich vom theoretischen Verständnis geprägt; Die Nutzung von Pflegediagnosen ist zwar ein wichtiger Schritt, kann eine evidenzbasierte Versorgung jedoch nur zu einem Teil fördern.
Zu dem Thema gibt es so unglaublich viel zu sagen und zu schreiben, aber das würde denke ich den Rahmen des Posts sprengen. Wenn du also noch ganz konkrete Fragen hast, gerne her damit
Beste Grüße
Aldair