Pflegeprozesssteuerung

Hi Leute,

ich würde meine Pflegeprozesssteuerungsskils verbessern wollen. Sprich, Anamnese bzw. Assessment, Diagnostik, Zielsetzung und Maßnahmenplanung und natürlich auch Evaluation. Ich übe derzeitig an meiner Stiefmutter :smiley:
und mit dem Nanda Pflegediagnosenbuch. Da gibt es ja auch Tipps bezüglich Assessment. In der Ausbildung haben wir die Anamnese anhand den 13 Abedls geführt. Ich finde aber, dass sich das nicht mit den Empfehlungen von Nanda deckt. Die empfehlen ein anderes Assessmentkonzept. Das habe ich mir bisher allerdings noch nicht näher angeschaut.
Ich würde mal gerne hören wie Eure Stimmung so dahingehend ist. Findet Ihr das auch ein wichtiges Thema und wenn ja seit Ihr da schon gut aufgestellt oder sagt Ihr, dass Ihr das für Überbewertet haltet?
Auf der Arbeit schreiben wir die Pflegeplanung über Orbis. Das genügt mir aber nicht in dem Umfang. Ich finde nicht, dass der Patient davon optimal profitiert.
Die Vapik Studie gibt ja zumindest an, dass es in den meisten Bereichen auch noch nicht so gut läuft.
Ist jemand unter Euch der von sich behaupten würde recht gut im Pflegesteurerungsprozess zu sein und mir Tipps geben zu können wie diese Fähigkeiten erreicht werden können. Ich möchte gerne besser werden um schnell je nach Situation die geeignete Diagnose(n) stellen zu können um dann schnell und fachlich evidenzbasiert pflegen zu können. Das Gefühl habe ich derzeitig noch nicht.
Es gibt ja auch Literatur zu Maßnahmenplanung. Allerdings habe ich was Nanda angeht auf Deutsch nur zu der Ausgabe von 2018 bis 2020 was gefunden. Ansonsten gibt es noch was von Thieme. Hat jmd. dazu Erfahrung und kann was empfehlen?

LG
Christian

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Ich finde das Thema interessant, insbesondere deswegen, weil ich glaube, dass es viele für wichtig halten, in der Praxis aber kaum Raum einnehmen wird (aktuell). Ich halte den Pflegeprozess für eine immerwährende Innovation, weil niemand wirklich so richtig das Ding mal in die Hand nimmt und durchführt. Und in der Praxis ist eben recht wenig Zeit und Raum dazu.

Aber mal zum Thema… Im Grunde ist es ja auch relevant, welches Klientelk du hast und welche Pflegetheorie da zugrunde liegt, bzw. was gelebt wird. Ich würde das nicht allzu hoch hängen, aber man sollte eben wissen, ob man eher nach Orem oder in deinem Fall nach Krohwinkels Systematik vorgeht.

Auf jeden Fall werden dir @Max und @Aldair was dazu sagen können, die sind fit in dem Thema. Ich glaube allerdings auch, dass dein Erfolg auch an deine Kolleg:innen geknüpft ist und damit auch steht und fällt. Und die Frage ist: Wirst du das Ergebnis verbessern? Es hängt ja auch von anderen Faktoren ab, wie einem funktionierenden Entlassungsmanagement oder Überleitungsmanagement.

Das sind alles nur Gedanken, vermutlich sehr komplex das Thema. Hier sind sicher einige, die dir helfen können.

Cheers, Christian

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Danke Christian,
Mir geht es erst mal mehr darum meine Fähigkeiten dahingehend zu verbessern aber das stimmt natürlich, wenn man wirklich was verändern möchte gehört mehr dazu. Danke für deine Einschätzung.
LG

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Danke für die Blumen @Christian, aber bei Pflegediagnostik bin ich leider ebenfalls schlecht drin. In der Ausbildung warens Juchlis ATLs. Meine Ausbildungsstätte war… Tradiert was das angeht :joy:
Also @Chris wenn du gute Materialien findest lass es mich wissen!

Lieben Gruß!

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alles klar, danke Max :slightly_smiling_face:

Moin @Chris,

Und danke @Christian, dass du mir da eine Kompetenz zuschreibst :wink: Schön, dass es jemanden gibt, der Interesse am Pflegeprozess und vor allen Dingen an einer evidenzbasierten Planung der Pflege hat!

Auch gut, dass du dich mit NANDA-I-PDs auseinander setzt. Meines Erachtens sind es aktuell die am meisten entwickelte und konsistente Sprache für die Beschreibung von pflegerischen Phänomenen. Vielleicht sollte man zu den NANDA-PDs wissen, dass denen ein Konstrukt zugrunde liegt, welches ebenfalls als eine „Sprache“ für das Assessment von pflegebedürftigen Menschen anwendbar ist: Die Functional Health Patterns (oder funktionale Gesundheitsmuster) von Marjory Gordon. Diese Muster beschreiben in 11 Kategorien, in welchen Bereichen ein Mensch ggf. Hinweise für entsprechende Pflegebedarfe aufweist. Hat man entsprechende Auffälligkeiten identifiziert, bietet sich in der Regel ein vertieftes Assessment an, um bestimmte Probleme weiter einzugrenzen oder sichtbarer zu machen. Bspw. kann eine Person, die in der Kategorie der Ausscheidung, im Bereich Urinausscheidung, Auffälligkeiten zeigt, mit einem Instrument getestet werden, welcher z.B. die Schwere einer Inkontinenz und den damit verbundenen Gefühl der Lebensqualität einschätzt (s. ICIQ, gibt es auch als Kurzversion). Hat man dementsprechend Bedarfe identifiziert, bieten sich die IDs an, um die Reaktion einer Person (oder Familie, Gruppe, Gemeinde) auf ein bestimmtes Gesundheitsproblem mit standardisierten Begriffen zu beschreiben.

Wenn du diesen Prozess einmal durchlaufen hast, kannst du auf Grundlage der identifizierten PDs dann Outcomes definieren, welche beeinflusst werden sollen und Maßnahmen planen, mit denen du diese Outcomes beeinflussen willst. Natürlich alles im Dialog mit der pflegebedürftigen Person :wink:

Es gibt ein paar Dinge, die man auf jeden Fall lernen muss und sollte, damit das Assessment schärfer und dementsprechend auch stärker darauf ausgerichtet wird, was Pflegende eig im Pflegeprozess interessiert. Eine erfahrene Pflegefachperson sollte das Assessment auch ohne eine entsprechende Guideline auf die typischen Bedarfe einer bestimmten Population ausrichten können. Aber dafür braucht es halt Erfahrung. Insofern ist mein größter Tipp: Üben, Üben, Üben. Was ich manchmal mache, ist mir Fälle mit nach Hause zu nehmen (anonymisiert versteht sich) und auf Grundlage der Daten dann dementsprechend einen Pflegeprozess zu planen.

Nächstes Jahr kommt die deutsche Version der Diagnosen 2024-2026 raus. Ich kann nur empfehlen mal in einer Uni- oder Landesbibliothek vorbeizuschauen. Meistens haben diese Zugang zu der Lektüre, womit man sie sich nicht teuer anschaffen braucht.

Zusammengefasst: Schau mal in die Bibliotheken nach aktueller Literatur, gerade von Maria Müller-Staub, Herdman und Doenges; Übe die Pflegeprozessplanung wo und wie du nur kannst; Sei dir bewusst, dass die meisten Dokumentationssysteme keine geeignete Dokumentation des Pflegeprozesses, basierend auf einem professionellen Verständnis, zulassen; Das Assessment und dementsprechend auch der gesamte Pflegeprozess werden maßgeblich vom theoretischen Verständnis geprägt; Die Nutzung von Pflegediagnosen ist zwar ein wichtiger Schritt, kann eine evidenzbasierte Versorgung jedoch nur zu einem Teil fördern.

Zu dem Thema gibt es so unglaublich viel zu sagen und zu schreiben, aber das würde denke ich den Rahmen des Posts sprengen. Wenn du also noch ganz konkrete Fragen hast, gerne her damit :wink:

Beste Grüße
Aldair

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Hallo Aldair,

wow vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Da sind mega gute Tipps dabei. Ich werde das erst mal sacken lassen und mir die einzelnen Empfehlungen zur Literatur anschauen. Eine Frage fällt mir aber so schon mal ein. Wenn Du die Daten der Pat. mitnimmst um damit zu üben, hast Du das mit deinen Vorgesetzten abgesprochen? Weil da steckt ja voll das Potential hinter. Das könnte man ja nutzen um da kollektiv raus zu lernen und um den Pat. besser versorgen zu können.

LG Chris

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Hallo Chris,
Nein, dass habe ich nicht abgesprochen. Das mache ich nur für mich, weil der Anwendung der jeweiligen Sprachen in der Praxis Lizenzen erfordern, wenn man Sie nutzen möchte. Es hilft aber dabei ein besseres Verständnis für die tatsächlichen Pflegeprozesse zu bekommen.

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Hallo Aldair,
ich habe die aktuelle Ausgabe des Pflegediagnosenbuches von Nanda mir zum Geburtstag schenken lassen und hab mir im Zuge dessen nochmal Deine Antwort durchgelesen. Du hast geschrieben, dass Pflegediagnostik zwar ein wichtiger Schritt sei, aber eine evidenzbasierte Versorgung nur zum Teil fördern könne. Wie kommst Du zu diesem Schluss? Liegt das an der erschwerten Implementierung im deutschen System? Laut Nanda sind die Diagnosen ja noch nicht komplett ausgereift aber würden ja das aktuelle Wissen der Pflegewissenschaft abbilden.

LG
Chris

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Hallo Chris,

Sorry für die späte Antwort. Es war eine Menge los :sweat_smile:

Danke auch für deine Frage! Pflegediagnosen beschreiben ja erst einmal das Wissen darüber, wie Pflegefachpersonen bestimmte menschliche Reaktionen auf Gesundheitsprobleme definieren können. Das setzt voraus, dass diese Diagnosen in wissenschaftlichen Studien auch daraufhin überprüft werden, wie genau Sie eigentlich diese Reaktionen tatsächlich beschreiben können, also wie valide die Diagnosen eigentlich sind. Da gibt es schon Unterschiede zwischen den Diagnosen: Manche haben eine breitere wissenschaftliche Basis, manche eine dünnere. Um jedoch Pflegediagnosen gut nutzen zu können, muss man auch ein gutes Verständnis für das Wesen von dem haben, worauf Pflegende eig achten sollten bzw. was einen Pflegebedarf tatsächlich ausmacht. Bspw. geht es weniger um medizinische Diagnosen, sondern um spezifische Gesundheitsprobleme (welche auch nicht-medizinischer Natur sein können), auf welche Menschen unterschiedlich reagieren. Das kann z.B. im Allgemeinen Bereich der Ernährung, der Ausscheidung, der Aktivität oder auch der psychischen Stabilität sein. Pflegende brauchen fachlich gesichertes Wissen, um solche Bereiche menschlichen Lebens und die Abweichungen davon überhaupt erst einmal erkennen und im pflegediagnostischen Prozess dann auch beurteilen zu können.

Zusammengefasst kann man also sagen, dass Pflegende erst einmal erkennen müssen, wo pflegende. Menschen Pflegebedarfe entwickelt haben, bevor Sie diese beurteilen können (anhand von Pflegediagnosen) und dann im besten Falle mittels verknüpfter Outcomes (z.B. NOC) und evidenzbasierten Interventionen (z.B. NIC, aber auch gestützt auf Leitlinien, Expertenstandards, etc.) diese Reaktionen auf ihre Gesundheitsprobleme auch behandeln zu können.

Ich hoffe, dass das etwas verständlich ist :wink:
Hab ein schönes Wochenende. Bleib gesund!

Beste Grüße
Aldair

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Hallo Aldair,

Ich hab mich letztens sehr gefreut, dass Ihr Euch im Podcast über Pflegefachsprachen unterhalten habt :smiley:
War sehr interessant und informativ. Ich hätte es noch voll schön gefunden wenn du noch mehr zu den Potenzialen einer solchen Fachsprache für die Praxis gesprochen hättest. Also z.b. dass das helfen kann sich im pflegealltag auf das wesentliche zu konzentrieren und das dann auch zu priorisieren und dass das auch Gegenstand für die personalbemessung sein könnte. Aber vielleicht habe ich auch einfach nur gar nicht alles mitbekommen. War auf jeden Fall eine sehr gute Folge. Werde ich mir irgendwann nochmal geben.

Danke für die ausführliche Antwort mal wieder :smiley:
Tatsächlich wusste ich das was du als letztes geschrieben hast überwiegend schon und versuche da einfach mein Wissen zu den einzelnen Themen Stück für Stück zu vertiefen weil da meine Ausbildung einfach nicht ausreicht muss ich leider sagen. An nic und noc auf deutsch zu gelangen ist ja gar nicht so einfach finde ich. Hab bisher was gelesen von european Nursing pathways. Aber ich hab mir vorgenommen da chronologisch vorzugehen. Also mich erst auf Assessment und diagnostik zu konzentrieren und dann die Ziele und Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Ich hab jetzt im Januar erst auf einer neuen Station angefunden und muss da jetzt erst mal klar kommen :slight_smile: und solange pausiere ich das thema pflegeprozesssteuerung erst mal.
Liebe Grüße :slight_smile:

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Will aber mal laut applaudieren und wage mal zu sagen, dass du schon weitaus tiefer im Thema steckst als viele andere! Also nicht so bescheiden, du hast es drauf.

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Danke Christian,
ein solches Lob von Dir geht runter wie Öl :smiley:

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Naja mal im Ernst: du hast dich da mittlerweile so tief reingegraben, da steckst du hier einige in die Tasche. Definitiv auch mich. Also brauchst nich denken, dass ich der Überpfleger bin, in keinem Fall. Wir alle haben unser Steckenpferrd und das Thema gehört sicher nicht zu meinen :wink:

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